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#Stöbersonntag: Interview mit Sozan Coskun

Vielleicht hast du sie auf einer Convention angetroffen. Vielleicht hast du sie aber auch als Siegerin der Manga-Talente 2011 und des Manga Wettbewerbs der Deutsch-Japanischen-Gesellschaft Berlins (DJGB) 2013 in Erinnerung:

Sozan - Autorin, Illustratorin und Grafikdesigerin - welche aktuell in Düsseldorf lebt und neben ihrer freiberuflichen Arbeit Kommunikationsdesign studiert. Bekannt ist sie den meisten aber im Bereich Manga und Storytelling" als Sozan Coskun.

Ihre Zeichnungen sind das, was Shojo-Manga-Liebhabern das Herz aufgehen lässt: zarte Linien, ausdrucksstarke Augen und zauberhafte Geschichten mit Dokidoki-Momenten.

 

Ich habe Sozan zur Leipziger Buchmesse 2019 an ihrem Stand getroffen, um ein wenig mehr über die sympathische Zeichnerin zu erfahren und sie zu ihrem Werdegang und aktuellem Projekt zu befragen.

Protagonistin Mai aus Sozan Coskuns "Green Garden"
Protagonistin Mai aus Sozan Coskuns "Green Garden"

 

Die beliebteste Frage zuerst: Wie bist du zum Mangazeichnen gekommen?

 

Ein Freund von mir erzählte mir im Hort von einer coolen Serie, die ich unbedingt schauen müsse. Welche genau das war, weiß ich leider nicht mehr, aber es handelte sich um einen Anime, der damals auf PokitoTV lief (ein RTL2-Format auf dem mittags unter der Woche eine Reihe von Anime-Serien liefen).

 

Schon nach der ersten Folge war es um mich geschehen. Und weil ich mittags immer im Hort war, bat ich meine Mutter, meine Lieblingsserien auf Videorekorder aufzunehmen, um bloß keine Folgen zu verpassen!

 

Nach und nach fing ich an, meine eigenen Pokémon Trainer und Magical Girls zu zeichnen. So kam dann eines zum anderen. PokitoTV hat wohl viele Mangazeichner aus den 90er Jahren geprägt (ha, ha).

 

Wie waren Manga in deinem Umkreis angesehen?

Wie haben deine Klassenkameraden und Familie darauf reagiert?

 

Ich war damals sechs Jahre, als ich zum Mangazeichnen kam, und vielen Kindern in meinem Alter war „Manga“ oder „Anime“ als solches gar kein Begriff. Sie fanden die Figuren, die ich zeichnete, oft komisch, weil sie so etwas noch nie gesehen hatten. Mir war das egal, schließlich habe ich immer gerne gezeichnet, und nichts hat mich so sehr fasziniert wie Manga. Meine Eltern fanden das Ganze wohl etwas fremdartig, aber durch mich haben sie sich mehr mit dem Thema auseinander gesetzt und sind nun schon richtige Experten! Es ist schön, dass mich meine Eltern immer unterstützt haben.

 

Mittlerweile ist Manga natürlich gesellschaftlich mehr verbreitet als damals, und viele Kinder kommen schon früh mit Anime und Manga in Berührung. Jedoch stoße ich immer noch auf viel Unverständnis. Ich finde es schade, dass Leute über ein Medium urteilen, mit dem sie sich nicht auseinander setzten. Aber ich sehe es auch als meine Aufgabe an, Leuten zu zeigen, dass Manga nicht nur Kinderkram ist, sondern große Kunst sein kann.

 

Denkst du, dass du ohne das Mangalesen/-zeichnen ein anderer Mensch geworden wärst?

 

Ja, auf jeden Fall!

Im Mangazeichnen habe ich meine Bestimmung gefunden, um es mal drastisch zu formulieren. Und durch das, was ich tue, beschäftige ich mich 24/7 mit diesem Medium. Man könnte meinen, ich bin süchtig, ha, ha!

Aber Spaß bei Seite: das Mangazeichnen hat mir einen Traum gegeben, den ich so nicht hatte. Ich weiß nicht, was für ein Mensch ich geworden wäre, hätte ich diesen Traum nicht gehabt …

 

War es für dich schon immer klar, dass du deine Geschichten im Shoujo-Stil erzählen möchtest? Hattest du dich auch an andere Stilrichtungen versucht?

 

Ich würde nicht sagen, dass ich mich bewusst für den Shoujo-Stil entschieden habe. Ich habe immer das gezeichnet, was mir persönlich am besten gefallen hat, und das war immer sehr „Shoujo“.

Ich hatte viele Vorbilder im Shoujo-Bereich. Mein erstes Vorbild war Mayu Sakai. Von ihr war mein erster Manga und auch mein zweiter, und schwups ertappte ich mich dabei, wie ich immer nach ihren Werken griff, ohne dass mir bewusst war, dass sie alle von der gleichen Künstlerin stammen. Aber es haben mich auch viele großartige Shounen-Künstler/innen geprägt! Ach, die Liste ist lang!

 

Du hast an mehreren Wettbewerben teilgenommen, darunter z.B. Manga-Talente der Leipziger Buchmesse 2011, welchen du auch gewonnen hast. Kannst du dich noch an den Tag der Preisverleihung erinnern? Wie hast du dich dabei gefühlt?

 

Ich erinnere mich, dass ich am Tag der Preisverleihung total erkältet war! Und natürlich total aufgeregt! Das war das erste Mal, dass ich an einem Wettbewerb teilgenommen habe - und dann gleich eine Preisverleihung!

Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass mein Werk auf der Leipziger Buchmesse ausgestellt wurde, und die Leute meinen Manga dort lesen konnten! Auch das war das erste Mal, dass ich von einem breiten Publikum Feedback für meine Arbeit bekommen habe.

 

Aber daran, dass ich den Wettbewerb gewinnen würde, glaubte ich nicht. Ich konnte viele Tage vor der Preisverleihung nicht schlafen und habe immer darüber gegrübelt, welchen Platz ich denn belegen würde.

Dass ich gleich ein ganzes Fernsehteam dabei hatte, welches das alles gefilmt hat, hat meine Nervosität natürlich auch nicht besser gemacht (ha, ha)! Insgesamt also ein super aufregender Tag für eine Vierzehnjährige!

 

Was macht für dich Reiz an diesen Wettbewerben aus?

 

Um ehrlich zu sein, war für mich schon früh klar, dass ich zu einem Mangaverlag will. Ich wollte eben Mangaka sein. Durch die Wettbewerbe habe ich gehofft, dass meine Werke „gesehen werden“.

 

Würdest du dir wünschen, dass es diese wieder öfter gäbe?
Was denkst du über die Nachwuchsförderung hierzulande?
 


Nachwuchsförderung in Deutschland ist leider kaum existent. Ich als Nachwuchszeichnerin und auch im Hinblick auf die jüngere Generation finde das total frustrierend. Als junges Talent muss man sich da ziemlich alleine durchschlagen, und ich finde es schade, dass es einfach keine Plattformen gibt, die Anfänger und werdende Profis fördern.

 

Heutzutage funktioniert ja die ganze Community über Social Media und gerade dort kann man sich schnell im Vergleich mit der Weltspitze demotiviert fühlen. Zumindest ging und geht es mir noch heute so.

Das kann aber nicht die Antwort auf deutschen Manga sein, wenn wir wollen, dass unsere Zeichner/innen im Inland und international an Anerkennung gewinnen.

 

Was würdest du gern anders wissen?

 

Ich habe natürlich auch nicht das Rezept für gute Nachwuchsförderung, und ich denke auch nicht, dass das eine reine Aufgabe der Verlage ist, sich darum zu kümmern. Ich finde es beispielsweise schön, dass Verlage Mappensichtigungen auf Messen anbieten. Es ist wichtig für eine/n junge/n Zeichner/in, der/die später mal Profi werden will, professionelles Feedback zu erhalten. Nur leider gibt es solche Angebote viel zu selten.

 

Auch gibt es kaum noch Wettbewerbsangebote, wie damals Manga-Talente, wo man jungen Kreativen die Chance gibt, ihr Können unter Beweis zu stellen und ihre Geschichten zu veröffentlichen.

 

Man kann nur hoffe, online gesehen zu werden. Aber online ist man schnell ein kleiner Fisch im großen Becken.

 

Früher gab es verstärkt Anime-/Mangazeitschriften, welche die Leser dazu aufforderten mitzuwirken, und dieses Engagement dem Heft sein Flair ausmachte (z.B. AnimaniA, MangaSzene).

Zur Buchmesse ist nun die erste Ausgabe der Zasshi herausgekommen, welches dieses Prinzip wieder aufgreift und z.B. die Möglichkeit bietet, mit dem eigenen Manga oder Bild abgedruckt zu werden oder sich professionell auf einer Anzeigenseite vorstellen zu lassen.

Denkst du, dass solche Printmedium heutzutage wieder eine Chance darstellen, bessere Sichtbarkeit zu erreichen?

 

Die Frage lässt sich wohl schwer mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten… Ich denke, dass man vor allem zur heutigen Zeit mit all den Social Media-Seiten eine gute Chance hat, ein großes Publikum zu erreichen. Vor allem, da man nicht mehr abhängig von großen Verlagshäusern oder anderen Unternehmen ist:

Jeder hat die Möglichkeit mit seinen Arbeiten an die Öffentlichkeit zu treten, aber genau deswegen ist die Konkurrenz groß und man geht schnell unter. 

 

Da stellen Printmedien natürlich ein Alleinstellungsmerkmal da, alleine schon, da der Betrachter sich tiefer mit einer Zeitschrift, für die er bezahlt hat, auseinander setzt als mit einem kostenlosen Beitrag auf Instagram.  

So gesehen, kann man seine Sichtbarkeit mit Printmedien sicher gut erweitern. Ich denke aber auch, dass die Zukunft nun einmal online ist und man dort die größere Sichtbarkeit erreichen kann… 

"Green Garden" Cover
"Green Garden" Cover

Du bist auch auf Conventions als Zeichner vertreten – Das ist natürlich ein großer Schritt, sich publik zu machen und in der Öffentlichkeit zu stehen. Was war für dich der Anlass, das auszuprobieren?

 

Viele meiner Freunde haben sich an Conventions versucht. Um es einfach zu sagen: Ich wollte einfach mitmachen und habe mir nicht sonderlich viele Gedanken dabei gemacht.

Mittlerweile verstehe ich natürlich besser, was es bedeutet, sich dort als Zeichner zu präsentieren. Und auch was für Arbeit dahinter steckt, wenn man das ganze professionalisieren möchte.

 

Kannst du das näher erläutern? Was musst du für eine Convention planen?

Wie gehst du an eine Convention heran?

 

Zum einen gehört zur Planung eines Messestandes ein gutes Standkonzept:

d.h. wie genau will ich meine Produkte präsentieren? Halte ich es minimal oder möchte ich viel Dekoration?

Wie falle ich in der Menge an Zeichnern auf und wie erziele ich eine gute Sichtbarkeit?

 

Dazu kommt noch die Frage des Standangebots:

Was möchte der Besucher haben und was will ich als Zeichner anbieten? Wie groß soll ich meinen Bestand anlegen und wie finanziert sich das ganze? 

 

Und und und… Am wichtigsten jedoch ist es, es einfach selbst mal auszuprobieren. Ich selber habe mir noch nicht all diese Fragen beantworten können, da ich selbst noch nicht lange auf Messen vertreten bin, und ich lerne jedes Mal etwas Neues hinzu!

 

Magst du mit uns ein besonders schönes Erlebnis nennen?

 

Ein einziges Erlebnis fällt mir leider nicht ein. Es mag etwas kitschig klingen, aber das schönste Erlebnis für mich ist es, wenn Leute sich die Mühe machen, zu meinem Stand zu kommen und sogar bereit sind, mich zu unterstützen. Es ist einfach schön, dass die harte Arbeit so sehr von anderen Menschen geschätzt wird, und sie bereit sind, sich die Zeit für meine Arbeiten zu nehmen. Dafür bin ich aus tiefstem Herzen dankbar!

 

Haben die Messebesuche deine eigene Entwicklung als Zeichner beeinflusst?

 

Ich bin noch nicht lange auf Messen vertreten, deshalb fällt es mir schwer, das Ganze zu beurteilen. Ich denke jedoch, dass mir Messen geholfen haben, für mich zu definieren, welche Art von Zeichner ich sein möchte, wie ich von Leuten wahrgenommen werden will, und wo ich mit meinen Arbeiten hin will.

Auch der Kontakt mit den Zeichnern vor Ort hat mich stark geprägt und mir viele Einblicke verschafft.

 

Dein aktueller Titel und damit der erste Band von „Green Garden“ kam zur Leipziger Buchmesser 2019 heraus und erfreut sich bereits an Beliebtheit. Du schreibst im Nachwort, dass dies die vierte Version der Geschichte ist … Seit wann sitzt du an der Geschichte und bei welchem Punkt hat sie sich am meisten verändert?

 

Dazu möchte ich gerne eine Anekdote erzählen: Die Idee zu „Green Garden“ kam mir auf einer langen Zugfahrt nach München. Ich dachte: „Was wäre, wenn diese Fahrt nie enden würde?“ Und so entstand die Geschichte um „Green Garden“. Es ging also primär um Züge … davon ist wohl nicht mehr viel geblieben.

Diese Idee hatte ich 2013.

 

Mich selbst hat neben deines zeichnerischen Könnens, vor allem auch die Idee zu „Green Garden“ interessiert: Eine unbekannte Energie, deren Ressource endlos ist und eine Nation wirtschaftlich nach oben katapultiert. Das Tribut sind allerdings Albträume, welche die Menschen belasten und gar in den Tod stürzen lassen – es sind steigende Selbstmordraten zu verzeichnen.

Ich sehe da Bezug zu unserer realen Welt, in der auch wir immer höheren Anforderungen und damit verbundene Konflikte in der Gesellschaft ausgesetzt sind. Ist „Green Garden“ also vielleicht im entfernteren Sinne gesellschaftskritisch einzuordnen?

 

Das kann ich mit einem klaren Ja beantworten! Mir ist es wichtig, in meinen Geschichten eine Moral einzubauen und meine Leser dahingehend zu erziehen. Wie viele kluge Leute sagten, kann Schaubühne als gesellschaftspolitische Anstalt und Instrument der Aufklärung verstanden werden (s. Friedrich Schiller). Das Gleiche sehe ich auch im Manga.

 

Um die Gesellschaftskritik in „Green Garden“ zu verstehen, muss man nicht weit über den eigenen Tellerrand schauen. Aber wie in „Green Garden“ sehe ich auch ein Umdenken in unserer Gesellschaft.
Vor allem mit den ganzen Protesten um „Fridays for future“. Ich befürworte das und habe mit meiner Figur Mai meine ganz eigene Klimaaktivisten erschaffen, haha! ;)

 

 

Dennoch möchte ich nicht nur verurteilen und auch nicht die Lösung für unsere gesellschaftspolitischen Dissonanzen liefern. „Green Garden“ ist immerhin im Kern eine Fantasy-Geschichte und ihre Schlüsse daraus genauso fantastisch.

Arbeitsschritte "Green Garden":  Scribble - fertig getuschte & gerasterte Seite
Arbeitsschritte "Green Garden": Scribble - fertig getuschte & gerasterte Seite

Wie gehst du bei dem Aufbau einer solchen Geschichte vor?

 

Am Anfang jeder Geschichte steht die Grundidee und die wichtigsten Akteure. Bei allem anderen lasse ich mich eher überraschen.

Ich denke, eine gute Geschichte lebt von starken Figuren, die einen durch die Handlung tragen. Durch ihre Aktionen, Motivationen und Weltanschauungen entsteht das Universum, in dem sie sich bewegen. Sobald eine Figur angelegt ist, wird sie vor meinem Auge lebendig und führt mich durch ihre Geschichte. Vielleicht hört sich das etwas komisch an, aber als Autorin habe ich da wenig Einfluss drauf.


Eine gute Geschichte braucht nicht unbedingt eine abgefahrene Story und viel Action, sondern realistische und interessante Charaktere, mit denen sich der Leser identifizieren kann.


Das heißt aber nicht, dass ich die Story vollkommen sich selbst überlasse! Wichtige Punkte werden dann doch noch über Tage hinweg durch gegrübelt. Oft berate ich mich auch mit meinen Freunden. Im Gespräch können viele interessante und neue Denkansätze entstehen!

 

Was ist für dich der schwierigste Part bei der Bearbeitung deines Mangas?

Wo siehst du deine größte Herausforderung?

 

Wahrscheinlich ist das nicht die Antwort, mit der viele gerechnet haben, aber die größte Herausforderung sehen ich in der Einsamkeit des Berufs. Es ist nun mal so, dass du als Mangazeichner/in viel Zeit alleine verbringst. Damit kann der/die ein/e oder andere besser umgehen, aber wenn du viele Tage am Stück keine Menschenseele siehst, kann dich das schon etwas verrückt machen.

 

Wie bist du gegenüber deinen früheren Projekten eingestellt? Guckst du dir diese ab und zu noch an oder hast du sie in einer Kiste sicher verstaut?

 

Ich habe hier und da ein paar Zeichnungen von mir aufbewahrt und schaue sie mir manchmal an. Jedes dieser Bilder und jede Geschichte repräsentiert eine bestimmte Entwicklungsphase meines Lebens, und ich finde es schön zu sehen, wie weit ich mit meiner Arbeit, aber auch in meiner persönlichen Entwicklung gekommen bin.


Was ist für dich das Schwierigste am Illustratoren-Dasein? 

Und was ist für dich das Schönste? :-)

Das Schwierigste ist -wie schon erwähnt- die Einsamkeit des Berufs und natürlich die finanzielle Unsicherheit des Jobs. Aber dennoch gibt es nichts was ich lieber in meinem Leben machen möchte. Denn am Ende des Tages liebe ich das, was ich tue, und finde darin vollkommene Erfüllung in meinem Dasein.

 

Verrate uns doch zum Abschluss noch, wie wohl dein perfekter Tag in 5 Jahren aussieht?
(Denn das Wo siehst du dich in 5 Jahren kann ja jeder. :-P)

 

Ich schlafe einfach durch.

 

 


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