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#Stöbersonntag: Interview mit Autorin Anezka Guziarova

Cover Stöbersonntag Interview mit Autorin Anezka Guziarova
Fotos: Pavol Putnoki

Als ich vor geraumer Zeit an einem Online-Kurs teilgenommen hatte, lernte ich über die faszinierenden Weiten des World Wide Webs eine junge Frau kennen, in deren Kopf sich die schönsten Gedanken und Ideen wiederfanden: Anezka Guziarova, auf Instagram und ihrem Blog bekannt als Happyanstories, ist Dramaturgin, Übersetzerin, Mama und noch etwas anderes: Geschichtenerzählerin.

 

In ihren Insta-Beiträgen gibt sie Einblicke in ihre eigene Gedankenwelt zum Thema Literatur und Leben oder lässt uns an einer Fantasiereise teilnehmen: Wortreiche Postings, welche zum Nachdenken, Träumen und Was-wäre-wenn-Fragen anregen.

 

Erfahrt ein bisschen mehr über ihre liebenswerte Person und ihre Arbeit im heutigen #Stöberinterview.

Über das Wunder des Schreibens.


Liebe An, wann hat es bei dir eigentlich mit dem Schreiben angefangen?

Kannst du dich noch an deine erste Kurzgeschichte erinnern?

 

Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich schon in der Grundschule gerne geschrieben und später neben sehr viel Lesen immer irgendeinen eigenen Teenie-Liebesroman angefangen. So richtig Schreiben – mit Kopf und Fuß, Sinn und/oder Pointe –, habe ich dann ein Jahr vor dem Abitur angefangen. Da ist auch meine erste Kurzgeschichte Papierwände entstanden.

 

Es war eine kleine witzige Krimi-Geschichte, die in einem Hotelflur mit den saisonalen Aushilfskräften stattfand und leicht von meinem Sommer-Job in einer Jugendherberge auf Sylt inspiriert wurde.

 

Wusstest du schon in der Schule, dass du „irgendwas mit Worten“ machen wolltest oder hat sich dieser Weg erst mit der Zeit ergeben?

 

Meine Erinnerungen an diese Zeit bezüglich des Berufswunsches sind etwas schwammig. Ich glaube, es liegt daran, dass man dieses „irgendwas mit Worten“ in meinem Umfeld als keinen richtigen Beruf bezeichnen würde. So war ich eher allein in meiner Welt mit Lesen, Schreiben, Malen und für die anderen hatte ich diesbezüglich andere Antworten parat.

 

Obwohl, mein erster Traumberuf war Nachrichtensprecherin. Später habe ich tatsächlich in Richtung Jouralismus, aber auch Politikwissenschaften und internationale Beziehungen überlegt.

 

Kam für dich denn noch ein anderes Studium in Frage außer Dramaturgie? Z.B. Journalismus?

 

Mit der Wahl des Studiengangs ist dann alles sehr schnell passiert.

Mit den ersten Kurzgeschichten in der Tasche bzw. Schublade (also mehr als drei waren es aber auch nicht) habe ich nach einer Schule gesucht, wo das kreative Schreiben unterrichtet wird. So etwas gab es aber nicht.

Dann habe ich bei einem Kurzgeschichten-Wettbewerb vom Studiengang Drehbuch/Dramaturgie gehört, mich drangesetzt, die Arbeitsproben eingereicht und wurde zum Gespräch eingeladen.

 

Da die künstlerischen Studiengänge die Aufnahmeprüfungen in der Regel früher als der Rest ansetzen, wusste ich noch vor der Abiturprüfung und bevor meine Mitschüler ihre Bewerbungen überhaupt losgeschickt haben, dass ich einen Platz bekommen habe.

Das hat meine Abizeit sehr entspannt.

 

Als „Sicherung“ habe ich mich noch für Übersetzen & Dolmetschen (deutsch-slowakisch) beworben und wurde auch angenommen, aber als das mit der Kunsthochschule alles in trockenen Tüchern war, konnte ich dieser anderen Uni absagen.

 

Neben dem Master im Drehbuch hat dann die Hälfte meiner Kommilitonen tatsächlich ein Journalismus-Studium drangehängt. Das hätte ich wahrscheinlich auch getan, wenn ich in der Slowakei geblieben wäre, da ich es schon immer spannend fand und die Studiengänge sich gut ergänzen und mehrere Türen öffnen würden.

 

Du hast also zunächst in der Slowakei studiert, bist dann aber nach Deutschland gezogen – das war für dich doch sicher ein großer Schritt? (Und bestimmt auch eine Menge Schreibmaterial?)

Bist du zweisprachig aufgewachsen oder musstest du dir Deutsch noch aneignen?

 

Die Entscheidung nach Deutschland zu kommen war wirklich nicht leicht.

Niemand in meiner Familie spricht deutsch, ich habe aber ein bilinguales Gymnasium in meiner Heimatstadt besucht. Ich kann mich noch erinnern, wie schwer und kompliziert ich es fand, und wie ich dachte, ich werde diese Sprache nie lernen können.

 

Erst nachdem ich immer wieder meine Sommerferien in Deutschland verbracht habe, habe ich mehr Sicherheit beim Sprechen gefühlt und nachdem ich mir einige der Kunsthochschulen angeschaut habe, habe ich mich auch an Geschichten in der deutschen Sprache rangetraut. 

 Arbeitsmaterialien Autorin Anezka Guziarova

In deinem Leben hast du bereits eine Vielzahl von Projekten bewegt: ob Übersetzungen von Sachbüchern, das Schreiben von Kritiken oder Songtexte für Bands – was war für dich das bisher schönste Projekt? Gibt es auch solche, die du weniger gerne übernimmst?

 

Ja, das finde ich auch so interessant an der Arbeit mit Text: Ich kann eine Idee, ob meine oder eine, bei der andere Unterstützung brauchen, von Anfang an begleiten und zusehen, was aus ihr wird. Es ist sehr unerwartet, hängt von vielen Einflüssen ab, von Menschen, die dazu kommen, von der Lebensphase, die ich durchgehe.

 

Ich kann meine Gedanken in ein bestimmtes Medium einpflanzen, denen verschiedenen Rahmen setzen: Länge, Zeit, schauen, ob sie da drin gut wachsen. Ich kann sie aber auch umtopfen und schauen, wie sie sich da verhalten. Da wird aus einem Gedicht plötzlich ein Fotofilm, aus einer Kurzgeschichte das nächste Hörspiel, aus einem Tweet ein neuer Roman. Die Idee ist wichtig, die Worte spielen eine Rolle und alles andere ist eine große Überraschung.

Mein Lieblingsprojekt ist wahrscheinlich das erste Spielfilmdrehbuch, das ich geschrieben habe. Am Anfang gab es ein Bild in meinem Kopf, zwischendurch eine Kurzgeschichte, dann ein Drehbuch mit sehr vielen Fassungen, aber auch zwei Drehbuchpreisen.

 

Innerhalb eines Stoffentwicklungsprogrammes konnte ich sehr intensiv an verschiedenen Orten mit tollen Dramaturgen und Produzenten an diesem Buch arbeiten und auch wenn es letztendlich aus verschiedenen Gründen nie zur Verfilmung kam, war es keine verlorene Zeit, sondern eine sehr wertvolle Erfahrung.

Ich glaube, es hat der Geschichte auch gutgetan und das ursprüngliche Bild ist aktuell gar nicht mehr drin. Es ist aber ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt und mich irgendwie nicht loslässt, daher kann es sein, dass noch mal was daraus wird.

 

Natürlich gab es auch sehr mühselige Projekte, die vielleicht von der Teamkonstellation nicht harmoniert haben und bei denen ich das Gefühl hatte, dass sich mein Entwurf in eine Richtung entwickelt, die mir nicht gefällt. Genau wie Projekte, in die ich sehr sehr viel Zeit und Kraft eingesteckt habe und dann kein Ergebnis gesehen habe, weil es an anderen Ecken gescheitert ist.

 Beim Schreiben Autorin Anezka Guziarova

Hast du einen bestimmten Prozess, den du fürs Schreiben immer wieder durchsetzt?

 

Unterschiedlich. Manchmal kommt mir der erste Satz in den Sinn und dann muss ich einfach loslegen. Manchmal lasse ich mir sehr gerne Zeit und gehe eine Weile mit der Idee im Kopf durch die Welt und nach und nach sammelt sich das zusammen.

 

Wenn es bei der Handlung hakt, helfe ich mir oft mit den Modellen aus der (Film)dramaturgie- ob es das 3 oder 4 Akt-, 8-Sequenzen-Modell oder eine Heldenreise ist, bei der Entwicklung der Charaktere nehme ich oft welche von meinen liebsten Persönlichkeitsentwicklungsratgeber (was für ein Wort) zur Hand. 

Außerdem sind Kaffee auf dem Tisch und mindestens 3 Stunden Schreiben am Stück optimal.

Top 3 Happyanstories

Du bist auch ein großer Filmfan. Worauf achtest du, wenn du dir einen solchen ansiehst?

Kannst du davon auch vieles für dich selbst nutzen?

 

Unbedingt. Ich finde Filme und Serien sind noch bessere Inspiration als Bücher zum Beispiel, weil sie einfach so anschaulich machen, was wie funktioniert, welche Aktion welche Reaktion hervorruft, wann die Emotion ins Spiel kommt.

 

Ich liebe Bücher und genieße die großartigen Sätze drinnen oder nutze sie als Motivation eigene Wörter aufs Papier zu bringen. Wenn ich aber was über Storytelling und komplexe Charaktere „lernen“ möchte, tauche ich in die Filmwelt ein.

 

Da passe ich zum Beispiel auf, wie die Filmemacher das Thema eröffnen, welche Motive sie nutzen und wiederholen, womit sie überraschen, mit welchem Bild sie die dramatische Frage stellen und an welchem Punkt im Film diese beantwortet wird, wie ein Charakter die Zuschauer für sich gewinnt, warum der Antagonist genauso genial „geschrieben“ wurde. Und, und, und…

 

Ich bin mir nicht sicher, ob andere Autoren nicht widersprechen würden, die Profis haben es aber auch drauf.

Mit Hinblick darauf, dass ich möglichst viele Menschen dazu bringen möchte, das Schreiben für sich zu entdecken, würde ich für sie diesen Weg wählen, um sich das Handwerk abzugucken und sich dann an eigene (hollywoodreife) Geschichten ranzutrauen.

 

Verbindest du auch viele eigene Erfahrungen mit deinen Werken oder sind die autobiografischen Inhalte eher gering?

 

Ich glaube, Autoren und Autorinnen schreiben meistens aus dem eigenen Leben, selbst wenn es nur eine kleine Prise ist. Wenn jemand raten möchte, was davon tatsächlich wahr ist und was durch Fantasie ergänzt wurde, bitte! Ich muss es dann nicht zugeben :-p

 

Die Zusammensetzung der Momente macht es zum Werk.

 

Man hat so Themen, die einen in der künstlerischen Tätigkeit begleiten und je nach Genre von der eigenen Person mehr oder weniger abweichen, Charakterzüge, die auf eine oder mehrere Figuren in der Geschichte verteilt, durchschimmern oder ein Anliegen an die Welt, das vielleicht nur zwischen den Zeilen zu lesen ist. Das ist für mich auch autobiografisch. Interessanterweise ist es zumindest bei mir so, dass ich in dem Moment, wo meine Erfahrung ein Teil der Geschichte wird, ich diese auch so behandle, Abstand kriege und vor diesem Hintergrund die Konflikte meiner Charaktere löse, statt der eigenen.

 

Das ist viel einfacher als sich mit den eigenen Dilemmas auseinandersetzen müssen.

 

Wie siehst du die aktuelle Nachwuchsförderung im Bereich „Schreiben“?

Was würdest du jemanden raten, der Autor werden möchte?

 

Das wird jetzt super langweilig klingen, aber ich würde jemandem der Autor werden möchte, raten, zu schreiben. Ganz viel, regelmäßig und vom vorne bis hinten.

 

Ich kenne es von mir selbst, die Ideen kommen, die Geschichte wächst, im Kopf macht alles Sinn und man sieht sich schon fast in der Buchhandlung den Buchrücken des eigenen Werkes zu streichen. Ich würde nie sagen, dass man nicht auf sich selbst glauben sollte, aber bevor man es nicht aufs Papier gebracht hat, kann man nicht wissen, ob es was wird.

 

So entstehen die Schreibblockaden- man wundert sich, warum es auf einmal nicht geht, wenn es in den Gedanken so klar schien, gemischt mit den Erwartungen auf sich selbst. Wenn die Geschichte steht, ist schon ein riesiger Teil geschafft. Es kommt noch viel dazu, aber das Gerüst steht und das bringt auch notwendiges Selbstbewusstsein für die weiteren Arbeitsschritte.

 

Leider habe ich nicht so großen Überblick, um es einzuschätzen, ob es genug an Förderungsmöglichkeiten gibt. Es gibt sehr viele Schreibwettbewerbe, aber wenn man mehrmals einen „falschen“ erwischt, kann es auch sehr demotivierend sein.

 

Da würde ich persönlich (und kenne einige, die so Erfolg hatten) kleinere lokale Veranstalter wählen, sich erstmal auf eine bestimmte Nische konzentrieren oder einfach Gleichgesinnte suchen, die sich regelmäßig über eigene Texte austauschen, verschiedene Blickwinkel bringen, mal eine leere Seite erlauben und umso größeren Motivationsschub nach so einem Treffen liefern.

 

Instagram oder wattpad, wie du erwähnst, sind andere Möglichkeit. Ich hätte da auch keine Angst vorm Ideenklau und mich auch nicht entscheiden möchte, ob der oder ein anderer Weg (Verlag oder Agentursuche) für den Anfang besser sind. Schreibkurse, -workshops oder verschiedene Improvisationsgruppen sind wunderbar, um sich Feedback zu holen, den selbstgeschriebenen Text zu hören, bestimmte Haltung einzunehmen oder auch Abstand zu gewinnen. Manchmal scheint diese Arbeit nach der ersten Fassung unendlich und mühselig, wenn man sie aber mit Spaß und Experimentierfreude wahrnimmt, kann es einen nur weiterbringen. Nicht nur für das eine Projekt, sondern auch für die nächsten.

 

Zu guter Letzt: Wie würdest du dir deinen perfekten Tag in fünf Jahren vorstellen?

 

Yay, da werden meine Kinder 10 und 7, also werde ich plötzlich sehr viel Zeit haben. Diese möchte ich nutzen. Für das eigene Schreiben und für die wunderbare Arbeit an Texten anderer Menschen. An diesem perfekten Tag werde ich ein paar Stunden für mich haben, um im Anschluss mit einer bunten Truppe (Hobby-)Autoren und Autorinnen an einem langen Tisch laut über die Kunst und die Welt zu diskutieren. Zum Schluss am besten noch ein entspannter Familienabend mit einem Kinderbuch-Exemplar aus der eigenen Feder als Gute Nacht-Geschichte für meine Mäuse. 

Entweder Oder Happyanstories

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